Das Vorkaufsrecht ist das vertraglich oder gesetzlich eingeräumte Recht einer Person, ein zum Verkauf stehendes Objekt zu den gleichen Bedingungen zu erwerben, zu denen es ein Dritter kaufen würde. Es dient dem Schutz berechtigter Interessenten, zum Beispiel Mietern, Miterben oder vertraglich Begünstigten. Es kann in verschiedenen rechtlichen Formen auftreten. Je nach Art des Vorkaufsrechts kann es automatisch entstehen, etwa im Fall eines gesetzlichen Vorkaufsrechts für Mieter oder auf vertraglicher Grundlage vereinbart werden.
Doch was bedeutet „Vorkaufsrecht“ genau? Welche Formen gibt es, welche Fristen gelten und wie läuft der Verkauf in der Praxis ab? Wann erlischt ein solches Recht und was passiert, wenn es missachtet oder umgangen wird? In diesem Beitrag erhalten Sie einen umfassenden Überblick über die Grundlagen, den Ablauf im Verkaufsfall, besondere Konstellationen und vieles mehr.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Vorkaufsrecht ist das vertraglich oder gesetzlich eingeräumte Recht einer Person, ein zum Verkauf stehendes Objekt zu den gleichen Bedingungen zu erwerben, zu denen es ein Dritter kaufen würde.
- Es gibt drei Arten: das schuldrechtliche, das dingliche (Grundbucheintrag) und das gesetzliche (z. B. durch Gemeinden oder Mieter).
- Beim Vorkaufsrecht gelten gesetzliche Fristen – meist zwei Monate für Grundstücke/Wohnungen und eine Woche für bewegliche Sachen.
- Ein Vorkaufsrecht erlischt, wenn es nicht fristgerecht ausgeübt oder darauf verzichtet wird. In Fällen wie Schenkung, Erbschaft oder Zwangsversteigerung findet das Vorkaufsrecht grundsätzlich keine Anwendung.
- Das Vorkaufsrecht bringt Vor- und Nachteile für beide Seiten: Schutz und Sicherheit einerseits, aber auch Verzögerung, Einschränkungen und Unsicherheiten andererseits.
Was genau bedeutet „Vorkaufsrecht“ beim Immobilienverkauf?
Das Vorkaufsrecht ist ein rechtlich verankertes Sonderrecht. Es ermöglicht einer Person, beim Verkauf einer Immobilie bevorzugt berücksichtigt zu werden. Es greift dann, wenn der Eigentümer einen Kaufvertrag mit einem Dritten abgeschlossen hat. Erst in diesem Moment kann der Vorkaufsberechtigte entscheiden, ob er zu denselben Konditionen in den Kauf einsteigen möchte.
Kommt das Vorkaufsrecht zur Anwendung, übernimmt der Vorkaufsberechtigte die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Käufers zu identischen Bedingungen.
Mindert ein Vorkaufsrecht den Immobilienwert?
Ein Vorkaufsrecht mindert den Immobilienwert nicht zwangsläufig. Allerdings kann das Vorkaufsrecht den Verkaufsprozess verkomplizieren. Es besteht nämlich die Unsicherheit, ob das Recht überhaupt ausgeübt wird. Das kann potenzielle Käufer abschrecken und dadurch möglicherweise zu Preisnachlässen führen.
Welche Formen des Vorkaufsrechts gibt es?
Das Vorkaufsrecht kann in verschiedenen Varianten auftreten. Diese sind von den rechtlichen Grundlagen und dem jeweiligen Zweck abhängig. Grundsätzlich wird zwischen vertraglich vereinbarten und gesetzlich geregelten Vorkaufsrechten unterschieden. Beide haben gemeinsam, dass sie rechtlich verbindlich sind und nicht ohne Weiteres umgangen werden dürfen.
Vertragliche Vorkaufsrechte
Vertragliche Vorkaufsrechte werden individuell zwischen dem Eigentümer und einer bestimmten Person vereinbart. Sie können entweder schuldrechtlich oder dinglich ausgestaltet sein.
Schuldrechtliches Vorkaufsrecht
Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht wird durch einen Vertrag zwischen dem Eigentümer und einer bestimmten Person begründet. Es findet sowohl bei beweglichen als auch bei unbeweglichen Sachen Anwendung. Dazu zählen unter anderem Fahrzeuge oder Kunstgegenstände ebenso wie Grundstücke und Immobilien. Die rechtliche Grundlage dafür bilden die §§ 463 bis 473 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Im Gegensatz zum dinglichen Vorkaufsrecht wird das schuldrechtliche nicht im Grundbuch eingetragen, sondern rein vertraglich vereinbart. Bei Immobilien und Grundstücken muss das Vorkaufsrecht notariell beurkundet werden.
Eine Besonderheit des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts liegt in seiner vertraglichen Flexibilität. So können die Parteien etwa eine Kaufpreisobergrenze oder einen festen Kaufpreis vereinbaren (limitiertes Vorkaufsrecht). Dies schützt den Berechtigten davor, einen von einem Dritten gebotenen, unerwartet hohen Preis übernehmen zu müssen.
Die rein vertragliche Natur hat jedoch auch einen entscheidenden Nachteil: Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht bietet keine Sicherheit im Falle einer Insolvenz des Eigentümers. Da es nur einen persönlichen Anspruch gegen den Verpflichteten darstellt und nicht das Grundstück selbst belastet, wird es im Insolvenzverfahren wirkungslos. Der Insolvenzverwalter ist nicht an das Recht gebunden.
Dingliches Vorkaufsrecht
Das dingliche Vorkaufsrecht nach §§ 1094 ff. BGB wird an Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten (z. B. Erbbaurechten) bestellt. Da auf einem Grundstück errichtete Gebäude nach dem fundamentalen Prinzip des § 94 Abs. 1 BGB als wesentliche Bestandteile des Grundstücks gelten, erstreckt sich das Vorkaufsrecht untrennbar auch auf diese.
Eine rechtliche Trennung von Grundstück und Gebäude ist im Rahmen des Vorkaufsrechts nur in Ausnahmefällen (etwa im Spezialfall des Erbbaurechts) möglich. Das Recht bezieht sich somit immer auf das Grundstück inklusive seiner Bebauung.
Im Gegensatz zum rein schuldrechtlichen Vorkaufsrecht wird das dingliche Vorkaufsrecht zusätzlich durch einen Grundbucheintrag abgesichert und entfaltet unmittelbare Wirkung gegenüber Dritten. Das Recht stellt eine rechtlich bindende Belastung des Grundstücks dar. Die Eintragung wirkt wie eine Vormerkung und entfaltet unmittelbare Wirkung im Verkaufsfall.
Das dingliche Vorkaufsrecht bietet einen hohen Grad an rechtlicher Sicherheit, da es nicht nur auf Vereinbarungen basiert, sondern durch den Eintrag im Grundbuch für alle sichtbar und verbindlich ist. Es wird daher oft innerhalb von Familien oder bei benachbarten Grundstückseigentümern eingesetzt, um Grundstücksverkäufe steuern oder kontrollieren zu können.
Gesetzliches Vorkaufsrecht durch Gemeinden
Gemeinden und Städte haben in bestimmten Fällen ein gesetzlich geregeltes Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken. Dieses sogenannte öffentlich-rechtliche Vorkaufsrecht ist in § 24 des Baugesetzbuchs (BauGB) verankert und dient vor allem dazu, städtebauliche Ziele durchzusetzen. Das kann zum Beispiel die Sicherung von Entwicklungsprojekten oder die Daseinsvorsorge sein.
Ein solches Vorkaufsrecht kommt zum Tragen, wenn ein Grundstück beispielsweise:
- im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt und für öffentliche Zwecke vorgesehen ist.
- in einem Umlegungsgebiet liegt.
- Teil eines Sanierungsgebiets oder eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs ist.
- im Bereich einer Erhaltungssatzung liegt.
Entscheidet sich die Gemeinde, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen, muss sie diesen Schritt begründet mitteilen. In der Regel geschieht dies im Rahmen des notariellen Kaufprozesses, sobald ein rechtsgültiger Vertrag mit einem Dritten vorliegt. Der bisherige Eigentümer wird dann darüber informiert, dass die Gemeinde das Grundstück zu den gleichen Bedingungen erwerben möchte.
Wie läuft ein Immobilienverkauf mit Vorkaufsrecht ab?
Wenn ein Vorkaufsrecht besteht, egal ob gesetzlich, schuldrechtlich oder dinglich, folgt der Verkaufsprozess einem bestimmten Ablauf. Der Vorkaufsberechtigte erhält das Recht, in einen bereits geschlossenen Kaufvertrag, zu denselben Konditionen wie der ursprünglich vorgesehene Käufer, einzutreten.
1. Abschluss eines Kaufvertrags mit einem Dritten
Zunächst schließen der Eigentümer und ein Kaufinteressent einen rechtsgültigen Kaufvertrag ab. Erst, wenn dieser Vertrag vorliegt, kann der Vorkaufsberechtigte aktiv werden.
2. Information an den Vorkaufsberechtigten
Der Eigentümer ist verpflichtet, den Vorkaufsberechtigten über den abgeschlossenen Kaufvertrag zu informieren, entweder direkt oder über die notarielle Abwicklung. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts.
3. Frist zur Entscheidung
Bei Grundstücken und Wohnungen beträgt die gesetzliche Frist grundsätzlich zwei Monate. Beim öffentlich-rechtlichen Vorkaufsrecht ist eine längere Frist von drei Monaten vorgesehen.
Innerhalb dieser Zeitspanne muss der Berechtigte entscheiden, ob er sein Vorkaufsrecht ausüben möchte.
4. Ausübung des Vorkaufsrechts / Verzicht oder Fristablauf
Entscheidet sich der Vorkaufsberechtigte für den Kauf, übt er sein Recht durch eine Erklärung gegenüber dem Verkäufer aus (§ 464 Abs. 1 BGB). Diese Erklärung ist formfrei möglich (z. B. schriftlich), aus Beweisgründen ist jedoch eine dokumentierte Form dringend anzuraten. Die Erklärung ist verbindlich und kann nicht widerrufen werden.
Übt der Vorkaufsberechtigte sein Recht nicht aus, bleibt der ursprüngliche Kaufvertrag mit dem Dritten bestehen. Die Immobilie geht dann wie geplant an diesen Käufer über.
5. Abschluss des Kaufvertrags bei Ausübung des Vorkaufsrechts
Mit dem Zugang dieser Erklärung beim Verkäufer kommt automatisch ein neuer, eigenständiger Kaufvertrag zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Eigentümer zustande (§ 464 Abs. 2 BGB). Der Inhalt dieses neuen Vertrags (Kaufpreis, Zahlungsfristen, Gewährleistung etc.) ist exakt identisch mit den Bestimmungen, die der Eigentümer mit dem ursprünglichen Drittkäufer vereinbart hatte. Der ursprüngliche Kaufvertrag mit dem Dritten wird dadurch hinfällig.
Was passiert mit den Kosten des Erstkäufers?
Übt ein Vorkaufsberechtigter sein Recht aus, platzt der Traum des ursprünglichen Käufers. Dieser hat jedoch oft bereits erhebliche Kosten investiert. Es stellt sich die Frage: Wer trägt diese? Die Rechtsprechung hat hierzu klare Grundsätze entwickelt.
Kostenart | Wer trägt die Kosten nach Ausübung des Vorkaufsrechts? | Rechtliche Begründung |
Notarkosten für den Kaufvertrag | Der Vorkaufsberechtigte muss dem Erstkäufer die bereits gezahlten Notarkosten in der Regel erstatten. | Der Vorkaufsberechtigte tritt in die wirtschaftlichen Bedingungen des Vertrags ein (§ 464 Abs. 2 BGB). Er profitiert von dem bereits beurkundeten Vertrag, den er andernfalls selbst hätte bezahlen müssen. |
Grundbuchkosten für die Auflassungsvormerkung | Auch diese Kosten sind in der Regel vom Vorkaufsberechtigten zu erstatten. | Die Vormerkung dient der Sicherung des Kaufvertrags. Da der Vorkaufsberechtigte in den Vertrag eintritt, übernimmt er auch die damit verbundenen typischen Abwicklungskosten. |
Maklerprovision | Kompliziert – es kommt auf die Vertragsgestaltung an. | Fall 1 (Keine Erstattung): Hat der Erstkäufer einen separaten Maklervertrag, muss der Vorkaufsberechtigte nichts erstatten. Der Erstkäufer schuldet die Provision oft trotzdem, da der Makler seine Leistung erbracht hat. Fall 2 (Erstattungspflicht): Enthält der notarielle Kaufvertrag eine „echte Maklerklausel“ (als Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB), die den Käufer zur Zahlung verpflichtet, geht diese Pflicht auf den Vorkaufsberechtigten über. Er muss dann die Provision zahlen. Solche Klauseln sind aber nur wirksam, wenn sie nicht als „Fremdkörper“ im Vertrag wirken und die Provision nicht sittenwidrig hoch ist. |
Welche Fristen müssen beim Vorkaufsrecht beachtet werden?
Für die Ausübung eines Vorkaufsrechts sieht das Gesetz bestimmte Fristen vor. Diese Fristen beginnen, sobald der Vorkaufsberechtigte über den Inhalt eines bereits geschlossenen Kaufvertrags mit einem Dritten informiert wurde. Das geschieht meist durch den Eigentümer oder einen Notar.
Gesetzliche Standardfristen beim Vorkaufsrecht
Die Länge der Frist hängt davon ab, um welches Objekt es sich handelt:
- Bei Grundstücken: Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts beträgt zwei Monate. Da eine Wohnung (als Wohnungseigentum) und ein Haus rechtlich untrennbar mit einem Grundstück verbunden sind, gilt für sie ebenfalls die zweimonatige Frist (§ 469 Abs. 2 BGB). Beim öffentlich-rechtlichen Vorkaufsrecht von Gemeinden gilt eine Frist von drei Monaten.
- Bei sonstigen Objekten, z. B. beweglichen Sachen, gilt eine Frist von einer Woche.
Falls mehrere Personen vorkaufsberechtigt sind, beginnt die Frist erst, wenn alle vollständig informiert wurden.
Anpassung der Fristen durch einen Vertrag
In bestimmten Fällen können die gesetzlichen Fristen auch vertraglich individuell geregelt werden. In einem Vorkaufsrechtsvertrag kann zum Beispiel eine kürzere oder längere Frist vereinbart werden. Dies muss allerdings im gegenseitigen Einverständnis erfolgen.
Verpassen der Frist
Wird die Frist nicht eingehalten, erlischt das Vorkaufsrecht für diesen konkreten Verkaufsfall automatisch. Der Eigentümer ist danach frei, die Immobilie oder das Grundstück an den ursprünglichen Käufer zu veräußern.
Was bewirkt ein Verzicht auf das Vorkaufsrecht?
Ein Verzicht auf das Vorkaufsrecht bedeutet, dass der Berechtigte auf die Ausübung seines Rechts bewusst verzichtet und den Verkauf der Immobilie oder des Grundstücks an einen Dritten akzeptiert. Dieser Schritt ist besonders wichtig, da der Eigentümer erst nach einem erklärten Verzicht rechtlich abgesichert ist. Erst dann kann er mit dem Verkauf an einen anderen Käufer fortfahren.
Wie erfolgt der Verzicht?
Der Verzicht wird in der Regel durch eine schriftliche Erklärung des Vorkaufsberechtigten abgegeben. Diese Erklärung ist nicht formgebunden, sollte jedoch aus Nachweisgründen stets dokumentiert werden. Bei Immobiliengeschäften übernimmt häufig der Notar die Weiterleitung der Erklärung an das Grundbuchamt.
- Beim schuldrechtlichen Vorkaufsrecht genügt grundsätzlich eine schriftliche Verzichtserklärung. Bei Immobiliengeschäften sollte diese aus Gründen der Rechtssicherheit notariell beurkundet erfolgen.
- Beim dinglichen Vorkaufsrecht ist zusätzlich eine notariell beurkundete Löschungsbewilligung erforderlich, um den Eintrag im Grundbuch entfernen zu lassen.
Erst nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen kann der neue Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden.
Wann entfällt ein Vorkaufsrecht?
Neben dem aktiven Verzicht gibt es weitere Fälle, in denen ein Vorkaufsrecht automatisch erlischt:
- Zwangsversteigerung: Im Falle einer gerichtlichen Verwertung entfällt das Recht.
- Tod des Berechtigten: Da das Vorkaufsrecht in der Regel nicht vererbbar ist, endet es mit dem Tod des Berechtigten – sofern keine andere Regelung besteht.
- Zeitablauf: Ist das Vorkaufsrecht befristet, erlischt es automatisch nach Ablauf der vereinbarten Dauer.
- Schenkung: Wird die Immobilie unentgeltlich übertragen, greift das Vorkaufsrecht in der Regel nicht.
- Verkauf an gesetzliche Erben: Im Zweifel erstreckt sich das Recht nicht auf einen Verkauf, der an einen gesetzlichen Erben in Ansehung dessen zukünftigen Erbrechts erfolgt.
Gilt das Vorkaufsrecht auch bei Erbschaften oder Schenkungen?
Erbschaft
Wird eine Immobilie oder ein Grundstück vererbt, besteht kein Vorkaufsrecht. Denn das Vorkaufsrecht greift nur dann, wenn ein tatsächlicher Verkauf stattfindet. Eine Erbschaft stellt jedoch keinen Kaufvertrag, sondern eine unentgeltliche Übertragung dar.
Das Vorkaufsrecht ist in der Regel nicht vererbbar. Gemäß § 473 BGB geht es nicht automatisch auf die Erben des Berechtigten über. Nur wenn im ursprünglichen Vertrag ausdrücklich eine Übertragbarkeit vorgesehen wurde, kann das Recht nach dem Tod des Berechtigten weiter bestehen.
Vorkaufsrecht in der Erbengemeinschaft
Bei Erbengemeinschaften kann ein besonderer Fall eintreten: Verkauft ein Miterbe seinen Anteil, steht den übrigen Miterben gemäß § 2034 BGB ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu. Damit soll verhindert werden, dass außenstehende Dritte in die Erbengemeinschaft eintreten.
Das gesetzliche Vorkaufsrecht der Miterben greift nur beim Verkauf an Dritte. Wird der Anteil verschenkt oder an einen anderen Miterben übertragen, besteht kein Vorkaufsrecht.
Wird aber ein Verkaufsvertrag mit einem Dritten geschlossen, müssen die übrigen Miterben unverzüglich über die Vertragskonditionen informiert werden. Nun können sie innerhalb der gesetzlichen Frist ihr Vorkaufsrecht ausüben.
Anders als die meisten Vorkaufsrechte ist das Vorkaufsrecht unter Miterben ausdrücklich vererblich (§ 2034 Abs. 2 S. 2 BGB). Verstirbt ein Miterbe, geht sein Vorkaufsrecht auf seine eigenen Erben über.
Wird das Vorkaufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt, geht der Erbanteil an den ursprünglich vorgesehenen Käufer, auch wenn dieser kein Mitglied der Erbengemeinschaft ist.
Schenkungen
Auch bei einer Schenkung entfällt das Vorkaufsrecht, da es sich nicht um einen Verkauf handelt. In Einzelfällen kann jedoch vertraglich festgelegt werden, dass auch unentgeltliche Übertragungen erfasst sind.
Vorkaufsrecht bei Mietern
Mieter können unter bestimmten Voraussetzungen ein gesetzliches Vorkaufsrecht für ihre Wohnung geltend machen. Dieses Recht ist in § 577 BGB geregelt und findet nur dann Anwendung, wenn die bisher vermietete Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt und anschließend verkauft werden soll.
Wann gilt das Vorkaufsrecht?
Das Vorkaufsrecht für Mieter greift ausschließlich in folgenden Fällen:
- Die Wohnung soll erstmals als Eigentumswohnung verkauft werden.
- Ein Kaufvertrag mit einem Dritten wurde bereits abgeschlossen.
- Der Mieter wurde über den Vertragsinhalt ordnungsgemäß informiert.
Sobald diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Mieter unter denselben Bedingungen wie der Käufer in den Vertrag eintreten. Die Kaufentscheidung muss innerhalb der vorgesehenen Frist getroffen werden.
Das Recht gilt nur einmalig, und zwar beim ersten Verkauf nach der Umwandlung in Eigentum.
Bei einem Verkauf an enge Familienangehörige oder Mitglieder des eigenen Haushalts entfällt das Vorkaufsrecht, genauso wie bei Verkäufen ganzer Mehrfamilienhäuser. Wird die Wohnung lediglich weitervermietet, besteht auch hier kein Anspruch auf das Vorkaufsrecht.
Folgen bei Missachtung des Vorkaufsrechts bei Mieterverhältnissen
Wird der Mieter nicht rechtzeitig über den Verkauf informiert, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann er unter Umständen Schadensersatz geltend machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich dieser Schaden nach der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem Kaufpreis, zu dem sie an den Dritten verkauft wurde.
Beispiel:
Der Vermieter verkauft die umgewandelte Wohnung für 300.000 € an einen Investor, ohne den Mieter zu informieren. Ein Gutachten stellt fest, dass der tatsächliche Verkehrswert der Wohnung zu diesem Zeitpunkt 350.000 € betrug. Dem Mieter steht in diesem Fall ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 50.000 € zu, da ihm durch die Pflichtverletzung des Vermieters dieser Gewinn entgangen ist.
Umgehung des Vorkaufsrechts
Ob ein Vorkaufsrecht umgangen werden kann, hängt maßgeblich davon ab, wie es gestaltet ist. Außerdem muss zwischen dem dinglichen und schuldrechtlichen Vorkaufsrecht unterschieden werden.
Dingliches Vorkaufsrecht: Sicher durch Grundbucheintrag
Ist das Vorkaufsrecht im Grundbuch eingetragen, lässt es sich praktisch nicht umgehen. Spätestens im Zuge der notariellen Kaufvertragsprüfung wird das eingetragene Recht sichtbar.
Schuldrechtliches Vorkaufsrecht: Missbrauch möglich, aber riskant
Bei einem schuldrechtlichen Vorkaufsrecht, das nicht im Grundbuch vermerkt, sondern lediglich vertraglich vereinbart ist, besteht theoretisch die Möglichkeit, das Recht zu umgehen. Informiert der Eigentümer den Berechtigten nicht und vollzieht den Verkauf, so hat er das Recht umgangen.
In einem solchen Fall ist der Eigentumsübergang nicht rückgängig zu machen. Der Drittkäufer bleibt rechtmäßiger Eigentümer. Allerdings kann der Vorkaufsberechtigte Schadensersatz geltend machen, wenn ihm nachweislich durch die Umgehung ein finanzieller Nachteil entstanden ist. Deshalb raten wir Ihnen davon ab, das Vorkaufsrecht zu umgehen.
Vor- und Nachteile des Vorkaufsrechts
Ein Vorkaufsrecht bringt sowohl für den Eigentümer (Verpflichteten) als auch für den Vorkaufsberechtigten verschiedene Vor- und Nachteile mit sich. Je nach Situation kann es als Schutzinstrument oder als Einschränkung wahrgenommen werden.
Vorteile | Nachteile | |
---|---|---|
Vorkaufsberechtigter |
Vorrang beim Immobilienerwerb Absicherung familiärer oder partnerschaftlicher Interessen Schutz vor fremden Käufern (z. B. bei Mieterrechten) |
Kein Einfluss auf den Kaufpreis Kurze Fristen zur Entscheidung Keine automatische Übertragung des Rechts (z. B. bei Tod) |
Eigentümer |
Potenziell unkomplizierter Verkauf bei vorbereitetem Vorkaufsrecht Planungssicherheit bei langem Bestehen des Vorkaufsrechts (z. B. bei familiären Absprachen) |
Eingeschränkte Entscheidungsfreiheit bei der Käuferwahl Verzögerung durch Ausübungsfristen Verpflichtung zur Offenlegung des Kaufvertrags |
Fazit: Vorkaufsrecht – Schutz, Verpflichtung und klare Regeln
Das Vorkaufsrecht gibt bestimmten Personen das vorrangige Recht, eine Immobilie zu erwerben, bevor sie an Dritte verkauft wird. Für Eigentümer bedeutet das eine rechtliche Verpflichtung und mögliche Einschränkungen im Verkaufsprozess. Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Fristen und Abläufe genau kennen. Sorgen Sie für eine offene Kommunikation, eine rechtlich einwandfreie Ausgestaltung und – falls nötig – die Einbindung eines Notars. So lassen sich spätere Missverständnisse und rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden.
Meinem Sohn (35. J. ) soll seiner Familie ( Frau , Kinder 7 J.- und 5 J. ) nach 6 Monaten das Haus gekündigt werden, aus angeblichem Eigenbedarf, wobei schon ein Nachkäufer in den Startlöchern zur Besichtigung steht.
Der 7.J befindet sich gerade nach einem Umzug zum 01.04.25 in der Findungsphase der neuen Schule.
Kann in diesem Fall eine Härteregelung des Schülers geltend gemacht werden, da dieser an einem nachgewiesenem
ADHS Syndrom leidet?
Hallo Herr Lipp,
vielen Dank für Ihren Kommentar und dass Sie Ihre Situation schildern.
Grundsätzlich kann bei einer Eigenbedarfskündigung unter bestimmten Umständen eine sogenannte soziale Härte (§ 574 BGB) geltend gemacht werden. Das bedeutet, dass der Mieter der Kündigung widersprechen kann, wenn der Auszug für ihn oder seine Familie eine unzumutbare Härte darstellen würde.
In Ihrem geschilderten Fall könnten die schulische Situation des Kindes, insbesondere im Zusammenhang mit einer ADHS-Erkrankung und der gerade erfolgten Eingewöhnung nach einem Umzug, durchaus als Härtegründe geprüft werden.
Ob dies ausreicht, hängt aber immer von den konkreten Umständen und der Interessenabwägung im Einzelfall ab.
Ich empfehle, zeitnah rechtlichen Rat – etwa bei einem Fachanwalt für Mietrecht oder beim Mieterverein – einzuholen. Dort kann geprüft werden, ob ein Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt werden sollte und welche Unterlagen (z. B. ärztliche Nachweise, Schulbescheinigung etc.) hilfreich sind.
Alles Gute für Ihren Sohn und Ihre Familie!
Beste Grüße
Pascal Schichtel